Ein zuverlässiges Verfahren zur Überwindung von Mikrodefekten

Tests mit einem verbesserten Hartmetallbohrer eröffnen neue Möglichkeiten für die Bohrungsqualität.
„Zweimal messen und einmal schneiden“ ist eine gängige Redewendung in der Fertigung, aber bei der Bearbeitung schwieriger Werkstoffe ist das leichter gesagt als getan. Aus diesem Grund wandte sich ein weltweit führender Hersteller der Luftfahrtindustrie an den Weltmarktführer in der Zerspanungstechnik, als er eine komplette zweite Stufe in seinem Bohrprozess eliminieren und gleichzeitig die Qualität der Bohrungen in seinen Luftfahrtkomponenten verbessern wollte. Hier erklärt James Thorpe, Global Product Manager bei Sandvik Coromant, wie das Design eines Bohrers wesentlich zur Herstellung qualitativ hochwertigerer Bohrungen beiträgt.
Das Herstellen von Bohrungen ist der gängigste Bearbeitungsprozess, aber auch derjenige, der häufig als selbstverständlich angesehen wird. Viele Fertigungsunternehmen sahen bisher keinen Grund, die bisherige Bohrungsbearbeitung zu ändern oder aufzurüsten und verwenden seit Jahren dieselben Werkzeuge und Schnittparameter. Doch durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie wird sich dies ändern. Die Hersteller wurden mit unvorhersehbaren und dauerhaften Verschiebungen auf den Kundenmärkten konfrontiert und sehen nun die Notwendigkeit, ihre Produktion anzupassen.
Die meisten Hersteller untersuchen beispielsweise den Einsatz neuer Lieferanten und Produkte. Fertigungsunternehmen, die sich bisher auf einen bestimmten Produktionsbereich spezialisiert hatten, erweitern die Einsatzbereiche ihrer CNC-Dreh- und Fräsmaschinen nun durch eine größere Vielfalt an anspruchsvollen Materialien. Gleichzeitig müssen die Hersteller neue Wege finden, ohne Beeinträchtigung der Produktqualität ihre Rentabilität zu steigern und die Zykluszeiten zu verkürzen.
Mit anderen Worten: Es ist an der Zeit, dass die Hersteller die Art und Weise, wie sie Bohrungen ausführen, überdenken.
Die Weißschicht
Die Qualität der Bohrungsoberfläche ist ein echtes Problem für Hersteller in der Luftfahrtindustrie oder für Unternehmen im allgemeinen Maschinenbau, die in die Luftfahrtbranche einsteigen wollen. Eine bessere Qualität der Bohrungen ist für die Vermeidung von Bauteilausfällen von entscheidender Bedeutung und wird in hohem Maße von den Fertigungsverfahren bestimmt, die für die Bearbeitung oder Endbearbeitung der Bohrungen eingesetzt werden.
Die Werkzeuglösungen und Schneidkantengeometrien bei Bohrern werden ständig weiterentwickelt, um die höchsten Standards bei der Herstellung und der Qualität der Teile zu erfüllen. Auch die Verwendung von Kühlmittel trägt zur Verringerung des Wärmestaus im Werkzeug bei. Tests haben ergeben, dass jeder dieser Faktoren den so genannten „Weißschicht-Effekt“ auf Werkstückmaterialien beeinflussen kann.
Der Begriff White Layer für diese weiße Schicht wurde von einem weltweit führenden Hersteller der Luftfahrtindustrie geprägt, der Kunde von Sandvik Coromant ist. Es handelt sich um ein dünnes, ultrafeines Korngefüge, das nach dem Bohren von Bauteilen zu beobachten ist und durch die Hitzeentwicklung des Bohrers verursacht wird. Die weiße Schicht kann nicht nur die Oberflächeneigenschaften des Materials verändern, sie wurde auch im Rahmen der Qualitätsmanagementprozesse des Kunden als inakzeptabel eingestuft.
Der Hersteller wendet ein strenges Verfahren zur Endbearbeitung von Bohrungen in Luftfahrtbauteilen an, darunter Turbinenscheiben, Verdichter, Trommeln und Wellen. Aus diesem Grund entschied sich das Unternehmen für eine Partnerschaft mit Sandvik Coromant, um zu untersuchen, warum sich diese weiße Schicht bildet und wie man sie beeinflussen kann.
Dabei muss erwähnt werden, dass die Tests nicht nur im Rahmen des Qualitätsmanagements durchgeführt wurden. Die Geschäftsleitung des Kunden war daran interessiert, die Bearbeitungszeiten zu verkürzen und die Rentabilität zu steigern. Dazu sollte ein gesamter sekundärer Bearbeitungsprozesses eliminiert werden.

Die Qualität der Bohrungsoberfläche ist ein Hauptanliegen für Hersteller in der Luftfahrtindustrie oder für Unternehmen im allgemeinen Maschinenbau, die in die Luftfahrtbranche einsteigen wollen. Hier die Bohrungsbearbeitung für Anschlussstutzen eines HRSA-Gehäuses mit einem CoroDrill 860 mit SM-Geometrie
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Zweite Stufe
Der sekundäre Prozess findet statt, nachdem eine Bohrung mit dem Hartmetallbohrer erstellt wurde, und kann Reiben, Tauchfräsen oder Schaftfräsen zur Endbearbeitung des Bauteils beinhalten. Die Sekundärstufe dient in erster Linie dazu, die Anforderungen an die Oberflächenbeschaffenheit zu erfüllen. Dabei sollen Probleme wie die Weißschicht reduziert werden. Es geht weniger um die Maßgenauigkeit, mit Ausnahme der Bearbeitung von Bohrungen mit engen Toleranzen.
Unter dem Gesichtspunkt der Gesamtkosten ist der sekundäre Prozess sogar teurer als eine Beibehaltung niedriger Schnittwerte als weitere Möglichkeit zur Einhaltung der Oberflächenbeschaffenheit. Deshalb wollte der Kunde von Sandvik Coromant prüfen, ob er das Verfahren nicht ganz abschaffen könnte. Ein Zulieferer, der ein Produkt anbietet, das eine maßgenaue Bohrung ohne sekundäre Prozesse herstellt, befindet sich in einer starken Position, um die Kosten pro Teil erheblich zu senken.
Bei der Untersuchung der Ursachen und möglichen Vorbeugungsmaßnahmen für die weiße Schicht wurden vier Bohrversuche mit dem hochfesten Nickel-Chrom-Werkstoff Inconel 718, einem beliebten Material in der Luftfahrtindustrie, durchgeführt. Es handelte sich um die erste derartige Untersuchung, die der Kunde realisiert hat.
Bei den Tests wurden Bohrungen mit zwei Vollhartmetallbohrern von Sandvik Coromant, CoroDrill® R840 und CoroDrill® R846, untersucht. Sie wurden jeweils mit zwei verschiedenen Schnittparametern durchgeführt: 58 mm/min bzw. 98 mm/min und mit einer Spindeldrehzahl von 829 U/min bzw. 757 U/min. Während der gesamten Tests wurden die Schnittkraft und das Drehmoment sowie die Dicke der weißen Schicht gemessen.
Nach diesen Tests wurde der CoroDrill R840 durch den CoroDrill® 860 mit GM-Geometrie und der CoroDrill R846 durch den CoroDrill® 860 mit SM-Geometrie abgelöst. Beide Werkzeuge der nächsten Generation wurden entwickelt, um die Standzeit weiter zu erhöhen, ohne die Qualität der Bohrungen zu beeinträchtigen.
Die Ergebnisse lieferten einige wertvolle Erkenntnisse über die Ursachen für die Dicke der weißen Schicht. Besonders bemerkenswert war, dass der CoroDrill R846 aufgrund der abgerundeten und radialen Schneidkanten eine geringere Weißschicht erzeugte. Es wird angenommen, dass die geraden Schneidkanten und die Fase an der Schneidkante des CoroDrill R840 mit der Erhöhung der Schnittkraft und des Drehmoments sowie einer Zunahme der weißen Schicht zusammenhängen. Das Design des Bohrers entscheidet also darüber, ob eine hohe Bohrungsqualität mit einer reduzierten Weißschicht erreicht werden kann, ohne die Schnittdaten zu senken.
Die Tests des weltweit tätigen Herstellers im Luftfahrtbereich mit Sandvik Coromant haben nicht nur einiges über die weiße Schicht zutage gefördert, sondern das Unternehmen konnte auch einige sekundäre Prozesse wie Reiben und Tauchfräsen eliminieren. Dies führte zu Zeit- und Kostenvorteilen. Darüber hinaus haben die Ergebnisse auch das Design der CoroDrill 860 Vollhartmetallbohrer von Sandvik Coromant bestätigt.
Besser durch gutes Design
Das Sortiment umfasst den bereits erwähnten CoroDrill 860 mit GM-Geometrie, der als Allrounder für das Bohren anspruchsvoller ISO P-, M-, K- und H-Werkstoffen in allen Industriezweigen konzipiert ist. Der CoroDrill 860 mit SM-Geometrie wurde für die Bearbeitung von ISO S-Sorten wie hitzebeständigen Superlegierungen (HRSA), Titan und Inconel optimiert. Dieser Bohrer hat sich insbesondere in der Luftfahrtindustrie bewährt.
Mit dem CoroDrill 860 mit GM-Geometrie und dem CoroDrill 860 mit SM-Geometrie haben die Ingenieure von Sandvik Coromant den Grundsatz bestätigt, dass eine längere Standzeit und eine bessere Bohrungsqualität auf die Konstruktion des Bohrers zurückzuführen sind. Der CoroDrill 860 mit GM-Geometrie verfügt über ein innovatives, poliertes Spankanaldesign, das die Spanabfuhr verbessert und eine hohe Kernfestigkeit und reduzierte Schnittkräfte beim Bohren ermöglicht.
Der CoroDrill 860 mit SM-Geometrie verfügt ferner über eine neue Sorte und eine optimierte und verfeinerte Spitzengeometrie, die die Standzeit bei der Bearbeitung von schwer zerspanbaren HRSA-Werkstoffen weiter erhöht. Das Ergebnis ist eine bessere Bohrungsqualität.

Beim CoroDrill 860 mit SM-Geometrie sind eine längere Standzeit und eine bessere Bohrungsqualität auf das Design des Bohrers zurückzuführen.
Der CoroDrill 860 hat sich bereits vor der Markteinführung in Tests in einer Reihe von Branchen bewährt. Ein Maschinenbauunternehmen in Frankreich setzte den CoroDrill 860 mit GM-Geometrie für die Bearbeitung von Baustahl AISI 4140 ein. Es war in der Lage, sowohl bei konkavem als auch bei konvexem Eintritt des Bohrers qualitativ hochwertige Bohrungen mit guter Geradheit und Toleranz zu erzielen. Das Unternehmen hat seitdem eine neue Geschäftsbeziehung mit Sandvik Coromant aufgebaut.
Ein weiterer Kunde von Sandvik Coromant, ein italienischer Maschinenbauer, erzielte mit dem CoroDrill 860 mit GM-Geometrie eine Produktivitätssteigerung von über 45 % bei der Bearbeitung der hochfesten Stahllegierung 34CrNiMo6 im Vergleich zu einem Bohrer eines Wettbewerbers. Außerdem wurde eine um 100 % höhere Standzeit erreicht. Darüber hinaus punktete der CoroDrill 860 mit SM-Geometrie mit beeindruckenden Ergebnissen bei der Bearbeitung von Inconel 718. Bei Tests in Kattowitz (Polen) konnte mit dem CoroDrill 860 mit SM-Geometrie eine um 180 % höhere Standzeit als mit dem CoroDrill R840 erzielt werden.
Ob Luftfahrt, allgemeiner Maschinenbau oder andere Industriebereiche - eine hohe Werkzeugperformance lässt sich erzielen, wenn der Bohrer für den jeweiligen Zweck richtig ausgelegt ist. Auch Online-Tools wie der CoroPlus® Tool Guide von Sandvik Coromant können weitere Unterstützung bieten. Durch den Zugriff auf das Werkzeug über einen Webbrowser und die Eingabe des gewünschten Werkstückmaterials, des Bohrungsdurchmessers und der Bohrungstiefe kann der Anwender das beste Vollhartmetallwerkzeug und die besten Schnittdaten für seine Anforderungen finden.
Das Prinzip „Zweimal messen und einmal schneiden“ ist zwar noch nicht erreicht, aber die Leistung des CoroDrill 860 mit GM-Geometrie und des CoroDrill 860 mit SM-Geometrie hilft den Herstellern, die Art und Weise, wie sie Bohrungen herstellen, zu überdenken.